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Der Fotograf Andreas Reiner lebt auf einem Bauernhof, ist verwurzelt in Oberschwaben mit Blick in die Welt. Foto: Alexander Gonschior

Galmutshöfen – Der Artikel über Bauer Alois und sein Treiben erschien zuerst in der Stuttgarter Zeitung am 9. September auf der Seite Drei. Dass der Reporter Eberhard Wein den Weg von Stuttgart in die oberschwäbische Einöde fand, dafür sorgte der Fotojournalist Andreas Reiner, der den Bauer Alois ausfindig gemacht hatte. Der bei Warthausen lebende Fotograf ist kein Unbekannter, er machte mit seinen Projekten und Reportagen wiederholt bundesweit auf sich aufmerksam. So auch mit seinen Fotos über die Bauernproteste anlässlich des politischen Aschermittwochs der Grünen vor der Stadthalle in Biberach. Auch BLIX berichtete ausführlich darüber, und Andreas Reiner schilderte darin seine Eindrücke (BLIX, März 24, S. 15: „Nicht zu rechtfertigen!“). Für Reiner war das Geschehen ein „Schlüsselerlebnis“, das ihn zu weiterer Recherche motivierte und ihn schließlich zu Bauer Alois führte. Seine Erkenntnis: „Verharmlosung wäre grottenfalsch!“

Andy, wie wurdest du auf die so genannten ‚Reichsbürger‘ aufmerksam? Warum interessierst du dich für diese politischen Sonderlinge und Spinner? Was stört dich an ihnen?

Mit der so genannten ‚Reichsbürgerbewegung‘ hatte ich mich bis zum Biberacher Aschermittwoch nicht wirklich beschäftigt. So richtig eingestiegen bin ich erst, nachdem ich in der SWR Doku ‚Reichsbürger im Südwesten‘ einen mir bekannten Oberschwaben bei einem Aufmarsch in Gera mit Fahne durchs Bild laufen sah. Und genau diesen fand ich dann auf meinen Bildern vom Biberacher Aschermittwoch wieder. Extremismus empört mich generell und dann auch noch vor der eigenen Haustür, das fand ich erschreckend  und deshalb konzentrier’ ich mich derzeit auf diese Szene.

Wenn Medien ‚Reichsbürger‘ zum Thema machen, gibt man ihnen die Aufmerksamkeit, die sie wollen. Wäre ignorieren nicht die bessere Methode?

Je mehr man sich damit befasst, sprich sich mit ihnen unterhält und in Telegramgruppen mitliest, denke ich, kann und darf man so was nicht ignorieren. Es gibt genügend Beispiele, die zeigen, dass friedlich für deren Anhängerschaft mittlerweile ein Fremdwort ist. Auch die Sprache in den Chats ist menschenfeindlich und für mich absolut inakzeptabel. Verharmlosung wäre grottenfalsch!

Die Geisteshaltung der ‚Reichsbürger‘ und ihr Verhalten sind skurril. Hört man dem Bauern Alois zu, dann könnte man auch Mitleid bekommen. Warum hältst du auch das für falsch?

Das dachte ich zuerst auch und war auch ehrlich gesagt hin und her gerissen, ob wir über den Alois und seine Ansichten berichten sollten. Wenn man aber sieht, wer sich in dieser Einöde mittlerweile die Klinke in die Hand gibt, wie viele Szenegrößen sich diesen Fall zu Nutze machen, solche, die Hass, Angst, Lügen und Hetze verbreiten und zu ihrem persönlichen Geschäftsmodel gemacht haben, war’s eigentlich klar, dieses Treiben im Hinterland aufzuzeigen. In einem der letzten Youtube-Videos hat Alois zwei Mitarbeiter vom Ravensburger Veterinäramt als Juden bezeichnet. Noch Fragen?

Du warst vor kurzem bei einem großen Treffen der Reichsbürger, Querpeiler und Verschwörungsquassler in München. Was hast du dort erlebt?

In erster Linie hat mich natürlich die Abordnung aus dem ‚Königreich Württemberg‘ interessiert und vor allem die aus dem Biberacher Landkreis. Ich bin auch relativ schnell fündig geworden. Abgesehen von dem karnevalistischen Auftreten der Teilnehmer, die mit preußischen Klängen über den Platz marschierten, steigt man relativ schnell aus den Gesprächen mit den Nebenerwerbs-Kaisern aus. Das packst du einfach psychisch nicht lange. Im Prinzip gibt es, glaub’ ich, den ‚klassischen Reichsbürger‘ nicht mehr. Mittlerweile handelt es sich um eine Mischung von Staatsleugnern, Verschwörungsgläubigen, Rechtsradikalen und zum Einstieg eignet sich natürlich auch Corona und der Querdenkersumpf. Dabei finde ich den Frauenanteil total erschreckend. So was mal live und in Farbe zu sehen, brutal!

Du warst als Fotograf bei den Bauernprotesten am Aschermittwoch in Biberach ganz dicht am Geschehen und warst entsetzt über die gezeigte Aggression und die Kumpanei mit ganz Rechts, auch ‚Reichsbürger‘ waren darunter. Du sprachst damals von einem Schlüsselerlebnis. Was meinst du damit?

Ich habe so was noch nie erlebt, höchstens aus dem Fernsehen. Das war immer alles so weit weg. Doch an dem besagten Tag spielte sich alles hier vor der Stadthalle ab. Am Abend war ich dann Experte in Chemtrails, CIA, MRNA in Raviolidosen, Great Reset, Juden, Ricarda Lang – da war es
schon wohltuend, mit erklären zu lassen, warum John Deere der beste Bulldog ist. Ich glaube, es war diese irre Mischung, die mir zusetzte, und die Erkenntnis, dass sich diese Leute mittlerweile ihr Wissen von Telegram holen, da liest keiner mehr die Schwäbische Zeitung – obwohl, jetzt vielleicht wieder. Wie auch immer, hier konnte man gut mit ansehen, dass man eine solche Mischung nicht ignorieren kann.

Bauer Alois irrlichtert derweil auf seinem Einödhof, der ihm nicht mehr gehört, und mit tatkräftiger Unterstützung aus der Szene sucht und findet er sein zahlreiches Publikum auf Youtube und in Social Media. Zeitungen und auch BLIX können ihm egal sein. Was tun? 

Warten aufs SEK.

Autor: Roland Reck

Reichsbürger: Diffus gefährlich

Ablehnung

„Reichsbürger“ zelebrieren bei ihren Aufmärschen die Vergangenheit, indem sie sich darauf berufen, dass das 1871 gegründete Deutsche Reich fortbestehe und nicht mit Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 untergegangen sei. Daher erkennen sie die Bundesrepublik nicht an – und auch nicht deren rechtsstaatliche Strukturen. Sie wollen auch keine Steuern, Bußgelder oder Sozialabgaben zahlen.

Szene

Die Szene ist diffus, auch weil sie in Teilen ihre „Kleinstaaterei“ pflegt. Indem ihre Anhänger sich als Staatsoberhäupter ihres eigenen kleinen Reiches sehen mit eigenen Ausweisen und Nummernschildern. Diese nennt der Verfassungsschutz „Selbstverwalter“. In Deutschland lassen sich rund 19.000 Personen der „Reichsbürger“-Szene zuordnen. Dabei handelt es sich aber nur um die Personen, die den Sicherheitsbehörden bekannt sind. Experten gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl weitaus höher ist – Schätzungen gehen von bis zu 40.000 „Reichsbürgern“ aus. Der harte Kern der „Reichsbürger“ macht etwa zehn Prozent, nach Behördeneinschätzung also rund 1.900 Personen aus. Man muss davon ausgehen, dass diese gewaltbereit sind.  

Verschwörungsmythen und Rechtsradikalismus

Dem Bundesverfassungsschutz zufolge geben die so genannten „Reichsbürger“ antisemitische Muster wieder, die auch bei Rechtsextremen vorherrschen. Dazu gehören die Leugnung des Holocausts oder auch der „Deep State“-Mythos, wonach geheime Mächte das Weltgeschehen lenken würden.

Gewaltbereitschaft

Einer der schwerwiegendsten Vorfälle: Im Oktober 2016 erschoss ein „Reichsbürger“ einen SEK-Beamten und verletzte zwei weitere schwer. Die Beamten sollten rund dreißig Waffen im Haus des Jägers beschlagnahmen. Der Täter wurde anschließend zu lebenslanger Haft verurteilt.

Aktuell und prominent ist der Fall des Immobilienunternehmers Heinrich XIII. Prinz Reuß (73), der schon seit längerem als „Reichsbürger“ in Erscheinung getreten ist. Der Adlige wird als zentrale Figur der mutmaßlich rechtsterroristischen Gruppierung „Patriotische Union“ betrachtet, die den gewaltsamen Umsturz des politischen Systems in Deutschland vorbereitet haben soll. Am 7. Dezember 2022 wurden insgesamt 22 mutmaßliche Mitglieder und drei mutmaßliche Unterstützer der Gruppe festgenommen, gegen 27 weitere wird ermittelt. Prinz Reuß wurde unter dem dringenden Tatverdacht verhaftet, einer der beiden Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung zu sein. Deswegen sowie wegen des Verdachts der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens wurde er im Dezember 2023 vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main angeklagt. Reuß befindet sich weiterhin in Untersuchungshaft.

Quellen: Polizei, Wikipedia, Stuttgarter Zeitung

Lesen Sie zum Thema auch den Hauptartikel „Ganz tief in die Hölle“ von Eberhard Wein



NEUESTE BLIX-BEITRÄGE

Editorial BLIX Dezember 2024

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„Dass wir frei sind“

„Zum dritten ist es der Brauch gewesen, dass man bisher behauptet, wir seien Eigenleute (Leibeigene, Anm. der Red.), was zum Erbarmen ist, in Anbetracht dessen, dass uns Christus alle mit seinem kostbaren Blutvergießen erlöst und losgekauft hat – den Hirten ebenso wie den Höchsten, keinen ausgenommen. Darum ergibt sich aus der Schrift (Die Bibel, Anm. der Red.), dass wir frei sind, und deshalb wollen wir‘s sein. (…)“ (aus: Die Zwölf Artikel – der dritte Artikel)

„Zukunft braucht Herkunft“

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